Silhouetten-Munition
Beim Metallsilhouetten-Schiessen
mit Kurzwaffen müssen weit entfernte Ziele umgeschossen werden. Dazu ist
spezielle Munition notwendig. Der US-Amerikaner Elgin T. Gates machte schon
früh empirische Untersuchungen über die dafür erforderliche Leistung.
Erst dieses Jahr publizierte Johannes Fante exakte Messungen über den notwendigen
Impuls. Hier nun werden die erfolgreichen Patronen und deren Laborierungen angegeben.
Lange Zeit wurde nur geschätzt, was erforderlich ist, den 25 kg schweren
Widder in 200 m Entfernung vom Sockel zu fegen. Er ist die schwerste Silhouette,
die auf der Maximaldistanz steht. In den 80er Jahren stellte Gates, der Begründer
des modernen Silhouetten-Sports, Statistiken zusammen, die zeigten, mit welchen
Laborierungen die Silhouetten gefallen waren. Nach diesen groben Schätzungen
der benötigten Impulse hat nun Johannes Fante wissenschaftlich ergründet,
welchen Impuls ein Geschoss auf den Widder übertragen muss, um ihn zu fällen
(DWJ 9-2000). Treffer von 0,84 lbfps im Bereich des Zentrums kippen einen perfekt
stehenden Widder gerade noch knapp vom Sockel. Ganz oben am Horn reichen sogar
nur 0,62, aber wer schafft dies schon, wo das ganze Vieh schon schwer genug
zu treffen ist? Steht er nur 2 Grad zum Schützen hin geneigt, sind schon
1,1 lbfps erforderlich. Vollfüssig auf die Schiene gestellt, wären
sogar 1,33 notwendig. Diese Aufstellart entspricht nicht den Regeln und sollte
auch nicht als Basis für die Munition herhalten. Aber nicht ganz lotrechte
Aufstellung auf etwas unsauberen Schienen und etwas Gegenwind: damit muss man
immer rechnen. Zwischen 1,0 und 1,2 sollte der Impuls der Munition auf dem Ziel
also liegen. Dies zeigt auch die Praxis, wo unbedarfte Schützen nach einem
getroffenen Widder laut schimpfen, weil er nicht gefallen ist.
Die Anforderungen sind jetzt bekannt. Aber welche Munition erfüllt sie
nun?
Ballistische Grundlagen
Der Impuls setzt sich aus der Masse des Geschosses und der Geschwindigkeit,
mit der es das Ziel trifft, zusammen. Um auf die praktischen „lbfps“
(Pfund x Fuss pro Sekunde) zu kommen, heisst die Formel:
Geschossmasse (in grains) x Geschwindigkeit (in m/s) x 0,0000146.
Auf diese praktische Masseinheit bezieht sich auch Fante.
Die Geschoss-Geschwindigkeit kann heute recht einfach mit preiswerten Lichtschranken
gemessen werden. In der Praxis erfolgt dies direkt an der Mündung oder
maximal 3 Meter davor. Für den Impuls ausschlaggebend (im wahrsten Sinne
des Wortes) ist jedoch die Geschwindigkeit 200 Meter weiter entfernt. Dies lässt
sich aus Tabellen in Wiederladebüchern entnehmen; ich benutze dazu das
Ballistic-Programm „K-ballistics 3.11“ von Kneubühl (mail@kneubuehl.com).
In der Praxis reicht auch der BC (Ballistic Coefficient), den der Geschosshersteller
angibt. Dieser muss jedoch nicht bis zur – meist angegebenen – dritten
Kommastelle ernst genommmen werden. Auffallend ist, dass vor einigen Jahren
der BC noch deutlich höher angegeben wurde, als dies jetzt geschieht. Früher
berechnete man ihn lediglich aus der Form und der Masse des Geschosses. Leider
pendeln die speziellen Longrange-Geschosse mit schlanker Spitze und langem Heck-Konus
sehr stark beim Laufaustritt und fliegen erst ab etwa 80 m perfekt. Diese Präzession
und Nutation erhöhen den Luftwiderstand am Anfang des Fluges deutlich.
In unserer Praxis bis 200 m verschlechtert sich der mittlere BC um ca. 0,1,
er wird also niedriger. Das 7 mm Matchking-Geschoss mit 168 gr. Masse wurde
bei der Einführung von Sierra mit einem errechneten BC von 0,605 propagiert;
heute wird der realistische Wert von 0,494 angegeben. Revolvergeschosse stabilisieren
sich über die Schulter sehr schnell, sodass sie dieser Effekt kaum verfälscht.
Wenn die Angaben der BCs bei der zweiten und dritten Kommastelle auch stark
differieren, ist dies doch unwesentlich, da höchstens die ersten anderthalb
Stellen hinter dem Komma interessieren. Generell verlieren die schlanken Gewehrgeschosse,
wie sie in Silhouetten-Pistolen benutzt werden mit BCs zwischen 0,5 ...0,6 lediglich
rund 15 Prozent Geschwindigkeit bis zum Widder. Kürzere Geschosse mit BCs
um 0,4 kommen immer noch mit 80 Prozent im Ziel an. Erst bei den plattnasigen
Revolvergeschossen wird es dramatisch. Bei einem BC von 0,15 kommen gerade noch
55 Prozent an. Diese Werte gelten nur im Überschallbereich. Wird ein Geschoss
auf seinem Weg vom Schall eingeholt und fliegt den Rest unterhalb der Schallgeschwindigkeit,
sind die Verluste geringer. Dies ist jedoch für uns keine Lösung,
da beim Durchtritt durch die Schallmauer der Geschossflug stark gestört
wird und sich der Streukreis dramatisch vergrössert. Ganz Schlaue, die
an Laborierungen basteln, deren Geschosse schon mit weniger als Schallgeschwindigkeit
starten, empfehle ich riesige Bleibatzen, damit der Widder vielleicht doch noch
fällt...
Unlimited-Pistolen mit ihren 15 Zoll-Läufen sind recht unkritisch. Interessant
sind die Production-Waffen mit nur rund 2/3 Lauflänge. Dafür werden
folgende Patronen eingesetzt:
7
TCU
Sie war vor 20 Jahren die beste Silhouetten-Patrone, von Elgin Gates 1975 für
seine Contender-Pistole entwickelt. Industriell wurde sie nur einige Monate
vom französischen Konzern Giat mit 145 gr.-Geschoss angeboten. Als Maximalladung
gibt Kemira für ein 150 gr.-Geschoss vor 23,6 gr. N133 eine V0 von knapp
600 m/s an. Dies aus dem 360 mm Messlauf. Aus einer Production-Waffe bleiben
davon noch 550 m/s. Daraus resultiert ein Momentum von 0,98 beim Widder. Etwas
knapp für den Widder – und das bei Maximalladung. Längere Geschosse
passen nicht in alle Lager, ohne das Geschoss zu viel zurücksetzen zu müssen.
Dadurch geht zu viel Hülsenvolumen verloren und der Druck steigt.
7
BR
Hier reicht die angegebene Maximalladung von 26 gr. N133 gut, um ein 160 gr.
Matchking auf 620 m/s zu beschleunigen. Mit dem Production-Lauf sind es immerhin
noch 560 m/s. Mit dem Impuls von 1,09 müsste der Widder zuverlässig
fallen. Allerdings geht der hohe Druck auf die Lebensdauer der Hülsen.
Schwerere Geschosse werden von Kemira für diese Patrone nicht angegeben.
Die Variante „6,5 BR“ erreicht mit dem schwersten Geschoss von 140
gr. gerade mal den Impuls einer 7 TCU; also etwas knapp.
7
GJW
Hier listet Kemira Ladungen von über 28 grains N135 für mehr als 630
m/s mit einem 168 gr.-Geschoss auf, und Hodgdon geht sogar noch höher.
Die beiden Topschützen Patric Lacher (F) und Esko Lempola (FIN) halten
jedoch 580 m/s für das 168 gr. Matchking für optimal. Dafür genügen
27, 5 gr. N135 oder 26,0 gr. N133. Damit wird ein Impuls von rund 1,20 erreicht,
was Sicherheit gibt bei schlecht stehenden Widdern. Die Variante .30 GJW (7,65
mm)wird in nordischen Ländern eingesetzt, wo die 7 mm-Geschosse kaum erhältlich
sind; die 6,5 mm-Version hat deutlich weniger Impuls.
.357
Magnum
Für die Grosskaliber-Diszipline halte ich diese Patrone für zu schwach.
Mit einem 125 gr.-Geschoss ist sie schön in der Feldpistolen-Disziplin
mit ihren halbierten Distanzen einzusetzen. Für Grosskaliber reicht auch
eine Maximalladung mit dem üblichen 158 gr.-Geschoss nicht. Mehr als ein
Momentum von 0,8 lässt sich damit nicht erreichen. Ivan Chmelik lädt
seinen Freedom Arms mit einem 180 gr. Hornady-Geschoss und crimpt auf der hinteren
Rille. Das geht jedoch nur bei wenigen Revolvern, sonst passt die Patrone nicht
mehr in die Hülse. Mit 19,5 gr. Hodgdon H-110 erreicht er 490 m/s, woraus
ein Impuls von immerhin 0,9 resultiert. Diese Kombination setzt er jedoch nur
auf den Widder ein; bis 150 m genügt eine schwächere Ladung mit einem
158 gr.-Geschoss. Mit dieser Mixtur gewann Michaela Bartosova die internationale
Revolverklasse an der WM 2000. Auch das gleich schwere Speer-Geschoss lässt
sich bei dieser Ladung verwenden.
.41
Magnum
Fast unbekannt, aber ein gutes Revolver-Kaliber für weite Distanzen. Der
Schweizer Hanspeter Kobelt benutzt 22,3 gr. Hodgdon H-110 und beschleunigt das
210 gr. Hornady-Geschoss damit auf 450 m/s. An der WM2000 verhalf ihm dies zum
Weltmeistertitel im Aggregat, obwohl er ein Huhn stehenliess. Die perfekt stehenden
Widder sind alle gefallen – trotz Momentum von gerade mal 0,97. Für
etwas träger stehende Silhouetten will er jedoch zur nächsten Saison
kräftiger laden. Dann wechselt das Geschoss nicht schon beim Truthahn in
den Unterschall-Bereich. Etwas Reserve ist schliesslich noch drin.
.44
Magnum
Dies ist die Standardpatrone der Revolverschützen. Somit gibt es auch eine
Standardladung: 21.5 gr. N110 hinter dem 240 gr.-Silhouetten-Geschoss von Hornady.
Mit der Patronenlänge von 41 mm sind 460 m/s aus einem Zehnzöller
die Regel. Der Impuls von 1,07 liegt für diese Standardladung im optimalen
Bereich.
.454
Casull
Die Patrone wird zwar bei Silhouette selten geschossen, da der BC schlechter
und der Rückstoss heftiger als bei .44 Magnum ist. Da die Freedom Arms
Revolver jedoch gerne „mit viel Power“ geschossen werden, nur der
Hinweis, dass 260 gr.-Geschosse damit auf 575 m/s beschleunigt werden können.
Der Impuls einer Wettkampfladung mit 15 Prozent geringerer Geschwindigkeit ist
mit 1,23 über jeden Zweifel erhaben. Frank Reiche benutzt eine Ladung mit
300 gr. Geschossmasse, allerdings liegt der Rückstoss bei dem doppelten
einer ausgewachsenen Silhouetten-Pistole. Ob damit ausser ihm noch jemand 45
präzise Schüsse hintereinander abgeben kann, bezweifle ich jedoch!
.300
WP
Diese Flaschenhülse kann nur im Supersonic-Revolver von Picra benutzt werden.
Ab 2001 ist er als Serienwaffe zugelassen. Ivo Picek schoss damit an der WM
2000 in Australien die maximale Trefferzahl und gewann alle Shoot-offs. Dadurch,
dass das schlanke Gewehrgeschoss bis weit über den Widder hinaus im Überschallbereich
bleibt, ist die Präzision deutlich besser als bei konventionellen Revolvern
und die Windempfindlichkeit nur noch ein Drittel. 28,5 grains N135 bringen das
185 gr.-Geschoss auf 500 m/s, woraus ein Impuls von rund 1,15 resultiert.
SuperMag´s
und mehr
Von den diversen Supermag-Patronen habe ich zu wenig gesicherte Ergebnisse.
Meist bleibt ihre imposante Erscheinung ballistisch hinter den Erwartungen zurück.
Mein Dan-Wesson-Revolver in „.454 E.T. Gates“ überzeugt mehr
durch Blitz und Donner, als durch hohe Leistung. Für das grosse Pulvervolumen
sind 10 Zoll Lauflänge zu knapp.
Über die in Italien hochgelobte .30-357 AeT, die von Lapua für Pietta
gefertigt wird, lohnt es sich nicht, viel Worte zu verlieren. Der Widder reagiert
auf deren Treffer lediglich mit hellem Klang. Kein Wunder bei einem Impülschen
von 0,65. Viel besser sind die 6 mm-Patronen auch nicht, die kurze Zeit in Pistolen
Mode wurden – zumindest nicht bei normalem Druck. Als untere Grenze sollte
man 6,5 mm-Kaliber ansehen. Interessant ist die .260 Picra, eine Wildcat auf
Basis der 7,62x39. Auch die 7AMSA des Österreichers Walter Klima, wird
wegen ihrer hohen Präzision gelobt. Sie beruht auf der Hülse 6PPC.
Da dafür erst eine Waffe existiert, ist sie noch nicht allzu verbreitet.
Der kurzzeitige Trend zu den kleineren Kalibern rührte daher, dass der
Rückstoss bei geringerer Geschossmasse geringer ausfällt - auch bei
etwas höherer Geschwindigkeit. Die Energie bleibt dabei gleich. Der scheinbare
Vorteil ist jedoch keiner, denn physikalische Wunder sind recht selten. Eine
Patrone, die geringen Rückstoss-Impuls liefert, wird auch im Ziel keinen
hohen Impuls liefern. Der wird jedoch gebraucht, um den Widder sicher zu fällen.
Die reine Energie hilft hier wenig.
Eine geringfügig flachere Flugbahn ist mit leichten, schnellen Geschossen
zwar erreichbar, aber das ist in der Praxis unwesentlich. Leichte Geschosse
werden leichter vom Wind beeinflusst und bei Regen ist höhere Masse die
einzige Möglichkeit, um weniger Tiefschüsse zu produzieren. Die Abbremsung
des Geschosses durch Regen ist umgekehrt proportional zu dessen Masse und proportional
zur Wasser-Einwirkung. Im Klartext: schwere Geschosse werden weniger von Wind
und Regen beeinflusst!
Zusammenfassung
Um den erforderlichen Impuls von 1 - 1,2 lbfps zum sicheren Fällen des
Widders in 200 m Distanz zu erreichen, sind 7 mm-Geschosse von 160 - 170 grains
Masse optimal. Kleinere Kaliber mit ihren geringeren Massen sind unsicher. Bei
den klassischen zylindrischen Revolverpatronen gilt als untere Grenze die .41
Magnum.
Guido J. Wasser
Bildzeilen
DATEN FÜR TABELLEN:
Zu 1:
B.C.: 0,1 0,15 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
V200 (%): 50 59 65 75 81 83 86
Zu 2:
B.C.: 0,1 0,15 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
Drift (cm) 95 68 51 34 24 19 17
5. Erprobte Ladungen für Silhouetten (Angaben ohne Gewähr!)
Patrone |
Hülse |
Geschoss (Masse/Herst.) |
Treibladung
(Masse/Typ.) |
L6 (mm) |
V0 (m/s) |
Impuls (lbfps) |
Bemerkungen |
7
TCU |
Thun |
150
gr. Matchk. |
23,6
gr. N133 |
68 |
550 |
0,98 |
Max.! |
7
BR |
Rem. |
160
gr. Matchk. |
26,0
gr. N133 |
60 |
560 |
1,09 |
Max.! |
7
GJW |
Thun |
168
gr. Matchk. |
27,5
gr. N135 |
73 |
580 |
1,20 |
Wettk. |
.357
Magn. |
Winch. |
180
gr. Hornady |
19,5
gr. H-110 |
42,8 |
490 |
0,90 |
Max.! |
.41
Magn. |
- |
210 gr. Hornady |
22,3
gr. H-110 |
41 |
450 |
0,97 |
Wettk. |
.44
Magnum |
IMI |
240
gr. Hornady |
21,5
gr. N110 |
41 |
460 |
1,07 |
Wettk. |
.454
Casull |
Freedom |
260
gr. Freedom |
23,0
gr. N105 |
44,9 |
500 |
1,23 |
Wettk. |
.454
Casull |
Freedom |
300
gr. Sierra |
37,0
gr. H-110 |
44.9 |
560 |
1,60 |
Max.! |
.300
WP |
Thun |
185
gr. Lapua |
28,5
gr. N135 |
59,5 |
500 |
1,15 |
Wettk. |
(N-Pulver= Kemira/VihtaVuori; H-Pulver=Hodgdon; L6=Gesamtlänge der Patrone; Impuls des Geschosses nach 200 m Flug; Max.=Maximalladung; Wettk.=Hülsenschonende Wettkampfladung)