Revolver
Stoklossa
Revolvergeschoss
für Silhouetten-Schützen
Erschienen in DWJ 6/96:
Auffallend bei Silhouetten-Wettkämpfen sind die hohen Treffer mit Pistolen auch bei den weit entfernten Zielen. Revolver erreichen diese engen Schussgruppen auf grosse Distanz jedoch nur selten. Ein neu konzipiertes Geschoss soll dieses Handicap vermeiden.
Auf
den ersten Blick ist die Situation paradox: Grosskalbrige Kipplaufpistolen von
Thompson/Center (Contender), R.P.M.(Merill) und Wüthrich mit Visierlängen um
10 Zoll erreichen bessere Treffer als Revolver mit 20 % bis sogar 30 %
grösserem Abstand von Kimme und Korn. Speziell bei den beiden weit entfernten
Silhouetten über 100 Meter schiessen Revolverschützen öfter vorbei.
In der Disziplin „Production“ darf die Lauflänge 10 ¾ Zoll betragen. Kipplaufpistolen,
aber auch die legendäre MOA-Fallblockpistole, haben die gesamte Visierung auf
dem Lauf angeordnet. Da das Korn rund 2 cm hinter der Laufmündung steht, die
Kimme den Lauf hinten kaum überragt und dieser meist auch nicht die maximal
erlaubten 272 mm ausnutzt,
sind
Visierlängen von 240 - 250 mm kaum zu überschreiten.
Ganz anders beim Revolver. Die Lauflänge wird hier nicht bis zum Stossboden,
sondern nur bis zum Trommelspalt gemessen.
Die Kimme sitzt jedoch noch hinter der Trommel, am hinteren Ende des
Rahmens. Beim preisgünstigen Ruger „Super Blackhawk“ mit 10 ¾ Zoll-Lauf und
43 mm Trommellänge wird schon eine Visierlänge von 307 mm erreicht. Ein Casull
mit 10“-Lauf und ein Wesson „Super Mag“ mit seiner 53 mm-Trommel liegt in einem
ähnlichen Bereich.
Obwohl die Visierung rund 25% länger ist, was beim Zielen deutliche Vorteile
bringt, schneiden Grosskaliber-Revolver im Wettkampf
schlechter ab. Es müssen also andere Effekte da sein, die diese Vorteile
zunichte machen. Das Problem liegt bei der Ballistik!
Luftwiderstand wie ein Autobus
Die üblichen 7 mm-Geschosse
der Pistolen haben einen geringen Luftwiderstand und verlassen den Lauf
mit recht hohen Geschwindigkeiten. Das vielbenutzte 168 gr. (10,89 g)
Matchking-Geschoss von Sierra ist speziell für den Überschall-Bereich ausgelegt.
Sein konisches Heck verhilft sogar an der Schallmauer - im Transschall - zu
guter Flugstabilität. Bis zur grössten Silhouetten-Distanz fliegt es im Bereich
oberhalb Mach 1 (Bild 1).
Revolvergeschosse haben dagegen einen Luftwiderstand wie ein Autobus. Die platte
Nase ist ein grosses Hindernis jenseits der Schallmauer. Eine kräftig geladene
.44 Magnum-Patrone erreicht etwa die gleiche Energie von rund 1600 Joule, wie
eine gute 7mm Silhouettenladung. Durch das höhere Geschossgewicht ist die Anfangsgeschwindigkeit
entsprechend niedriger. Schon nach 100 Meter Flugstrecke wird das Geschoss vom
Schall eingeholt. Da die Geschossform weder für Überschall, noch für Unterschall
ideal ist, wird sie hier kräftig durchgerüttelt. Der Weiterflug erfolgt dann
mit einigen Bogenminuten Fehlwinkel. Da diese Verwirbelungen von Schuss zu Schuss
unterschiedlich ausfallen, vergrössert sich der Streukreis auf den nächsten
100 Meter Flugstrecke deutlich. Schon mancher Silhouetten-Schütze freute sich
an Streukreisen von 10 cm auf 100m und war dann ganz perplex, als er auf 200
Meter den Widder mit 30 cm Rumpfhöhe nicht traf.
Ein weiteres Problem ist die ungünstige Energiebilanz. Von der Geschossenergie
kommt beim Widder nur noch ein Drittel an; beim Pistolengeschoss sind es immerhin
noch drei Viertel der Anfangsenergie. Auch die Abweichung durch Windeinflüsse
ist beim herkömmlichen Revolvergeschoss ein Mehrfaches.
Abhilfe - Spezialgeschoss
Um diese Problematik deutlich
zu reduzieren, fertigt die Projektilschmiede Stoklossa ( Bahnhofstr.22, 89168
Niederstotzingen, Tel.:07325-7278, Fax:-7168) in Handarbeit, ein völlig neues
Revolvergeschoss in den Kalibern .357, .430 und .452 inches. Gedacht sind die
Neuheiten für Revolver im Kaliber .357 Magnum, die als Untergrenze im Silhouetten-Schiessen
gelten; das nächste Mass ist für die am häufigsten benutzte .44 Magnum vorgesehen, und
das grösste Geschoss soll die .454 Casull optimieren.
Getestet habe ich das Geschoss im Kaliber .44 Magnum in einem Ruger „Super Blackhawk“
und einem rund viermal so teuren Silhouetten-Revolver von Freedom Arms. Dasselbe
Geschoss setzte ich auch in .445 Super Mag Patronen aus einem Dan Wesson Revolver
mit 10 Zoll-Lauf ein.
Schon auf den ersten Blick sieht das Stoklossa-Geschoss anders als die Konkurrenz
aus. Direkt vor der Crimprille folgt eine 12 mm lange Ogive, die sich bis auf eine Spitze von 1,5 mm
verjüngt. Hinter
der Rille befindet sich ein 7 mm langes zylindrisches Führungsteil, gefolgt
von einem 3 mm Heckkonus (Boattail).
Um wenig Laderaum zu verschenken, ist der Geschossboden 1,8 mm eingedellt. So
kommt das Pulver bis auf rund 8 mm an den Hülsenmund heran. Obwohl das Projektil
ca. 5 mm länger als mein übliches Geschoss ist, steht ein guter Millimeter mehr
Laderaum zur Verfügung. Ob sich diese 7 % im Druck auswirken, wird sich noch
zeigen.
Als Vergleich musste meine Silhouetten-Ladung mit dem 240 gr. Hornady-Geschoss
und 21.5 gr. Kemira N 110 herhalten. Mit einem konischen Crimp in der Geschossrille
liegt die flache Geschossnase 4,5 mm hinter der Trommelfront des Freedom;
beim Ruger ist es 1 mm weniger. Das Stoklossa-Geschoss nutzt die Trommellänge
voll aus: die Spitze wagt sich bis auf einen halben Millimeter an die Front
heran. Beim Ruger ist es sinnvoll, auf der Ogive, direkt vor der Rille zu crimpen.
Beim Hornady-Geschoss und meinen IMI-Hülsen sind die 21,5 gr. Pulver schon eine
leichte Pressladung. Mit dem Stoklossa-Geschoss erreicht die Ladedichte - durch
den Hohlboden - gerade 100 %. Beide Laborierungen wurden von der DEVA gemessen.
Meine übliche Silhouetten-Ladung erreichte grad eben die erlaubten 2800 bar;
mit dem Stoklossa-Geschoss lag der Maximaldruck knapp 10 % darunter. Die Geschwindigkeit
vor der Mündung war bis auf +/- 1 % identisch: Als Durchschnitt von 10 Schuss
wurden beim Hornady-Geschoss ein Mittel von 495 m/s und beim Stoklossa 504 m/s
gemessen. Generell sind noch grössere Schwankungen, von der Hülsenlänge, der
Wanddicke des Hülsenmundes und der daraus resultierenden Festigkeit des Crimpes
abhängig. Der Messlauf der DEVA ist 220 mm (8.7 in.) lang, also etwas kürzer
als meine Revolverläufe, hat dafür jedoch keinen Trommelspalt.
Bei praktisch identischer Anfangs-Geschwindigkeit
war natürlich die Messung der Verzögerung interessant.
Die aerodynamische Spitze müsste weit besser als die stumpfe Nase des
Vergleichsgeschosses durch die
Luft schlüpfen und erst in weiter Entfernung
bis zur Schallgeschwindigkeit abgebremst werden. In diesem Transschall-Bereich
erwartete ich einen ruhigeren Flug und auch darunter, durch das Boattail, weniger
Luftwiderstand.
Die Messungen der DEVA waren ernüchternd. Auf den ersten 42 Metern verlor das
neue Geschoss lediglich 7,2 % weniger Geschwindigkeit als das Hornady. Der „ballistic
coefficient“ (B.C.) hätte sich damit lediglich von 0.185 auf 0.20 verbessert.
Als Vergleich: der B.C. des eingangs erwähnten Pistolengeschosses liegt bei
0.62! Also „viel Lärm um nichts“?
Der schweizer Ballistiker Beat Kneubühl brachte mich auf die richtige Spur:
Annähernd zylindrische Geschosse werden durch ihre eckige Schulter beim Austritt
aus der Mündung viel besser stabilisiert, als die windschlüpfigen Spitzgeschosse.
Letztere taumeln die ersten 50 Meter noch kräftig (Präzession und Nutation)
und erreichen teilweise erst in 100 m Distanz ihre beste Flugbahn und höchste
Durchschlagskraft. Am Anfang der Flugbahn ist somit der Luftwiderstand am höchsten.
Also wurde der Geschwindigkeitsabfall alle 20 Meter gemessen, zur V2 in Verbindung
gebracht und daraus der V-Verlust und B.C. bestimmt. Jetzt sah die Sache ganz
anders aus: die ersten Meter taumelt das spitze Geschoss fast so stark, wie
ein Spitzgeschoss für Pistole. Bis 50 Meter
klingt diese Instabilität ab, und danach fliegt das neue Projektil stabil.
Erst bei 170 Meter durchbricht es die Schallmauer, wobei die Störungen recht
gering ausfallen. Auch im daran folgenden Unterschall-Bereich fliegt es - durch
das Boattail - noch recht stabil. Dies lässt sich an Trefferbildern auf 300
Meter belegen.
Für Berechnungen in Ballistik-Programmen kann man auf den Silhouetten-Distanzen
einen c.w. von o,5 (B.C.=.24) einsetzen. Kurz nach dem Abschuss liegt er zwar
höher und danach etwas niedriger. In der Praxis erhält man jedoch mit diesem
Luftwiderstandsbeiwert recht genaue Aussagen.
Sinn und Zweck des ganzen Aufwandes
war, die Präzision und Windempfindlichkeit
in der Silhouetten-Disziplin „Grosskaliber-Revolver“ deutlich zu verbessern.
Bei den herkömmlichen, fast zylindrischen Silhouetten-Geschossen von Sierra
(FPJ) und Hornady (CL-SIL) sind
die Streukreise bei Windstille auf 200 Meter 3 - 4 mal so gross wie auf
100 Meter Distanz. Das Stoklossa-Geschoss reduzierte diese Streuung generell
auf das 2 - 2,5-fache. Dies entspricht etwa dem theoretisch Möglichen. Generell
war der Rumpf des Widders gut zu treffen; dank der langen Visierlinie lagen
die Treffer mit dem preisgünstigen Ruger-Revolver
innerhalb eines 20 cm-Kreises. Dass ich mit der perfekt verarbeiteten
Freedom Waffe nicht wesentlich besser schoss, lag wohl eher am Schützen!
Interessant waren die Versuche im Kaliber .445 Super Mag. Originalhülsen sind
zwar von Starline oder der IHMSA zu bekommen, können jedoch auch aus .444 Marlin
oder .30-40 Krag hergestellt werden. Wer kompliziertes Umarbeiten nicht scheut,
nimmt als Basis die dickwandigen .303 British, oder sogar 7x57R, 7x65R etc.
Natürlich sind bei den vielen Varianten an Basishülsen die Volumina so unterschiedlich,
dass ich mich hüten werde, Ladeempfehlungen anzugeben. Der Pulverraum ist jedoch
bei der .445 Super Mag rund 45% grösser als bei der .44 Magnum. Aus dem 10“-Lauf
meines alten Dan Wesson Revolvers waren dann auch Anfangsgeschwindigkeiten bis
550 m/s erreichbar, wobei das Geschoss erst
weit hinter dem Widder - bei 280 Meter - auf die Schallmauer traf. In
200 Meter Distanz waren immer noch 1145 Joules übrig. Welcher, noch so starke
Revolver, schafft dies auf die selbe Entfernung?
Mit aufgesetztem 8-fach Glas konnte auch hier bewiesen werden, dass sich die
Streukreise zwischen 50 m und 100 m, bezw. zwischen 100 m und 200 m Schussdistanz
lediglich verdoppelten. Typische Streukreise von 10 Schuss lagen auf 200 m bei
10 cm.
Auch die Windabweichung ist - durch die schnellere Flugzeit - deutlich reduziert.
Beim flachnasigen Geschoss liegt sie um 45 % höher. Beim Silhouettenschiessen
ist dies ein wichtiger Aspekt, driftet doch ein herkömmliches Geschoss bei 5
m/s (18 km/h) Seitenwind bis zum Widder rund 75 cm zur Seite. Beim Stoklossa
ist es nur noch ein halber Meter. Besser sind natürlich in dieser Hinsicht die
schlanken Gewehrgeschosse. Da sind es nur 12 cm. Bis jedoch eine Patrone und
der dazu passende Revolver für diese Geschosse auf den Markt kommt, ist das
Stoklossa-Projektil der beste Kompromiss. Elgin T. Gates, der Vater des modernen
Silhouetten-Schiessens versuchte diese Variante mit einer „7 mm SuperMag“ in
einer 58 mm langen Seville-Trommel, schon 1988, scheiterte jedoch an der Praxis.
Für das Metallsilhouetten-Schiessen
ist das Geschoss der Stoklossa- Projektilschmiede ein deutlicher Fortschritt.
Bis zur dritten Figur, dem schwer zu treffenden Truthahn, bewegt es sich im
Überschallbereich fort. Erst danach durchfliegt es den Transschall-Bereich,
jedoch mit deutlich weniger Störung, als bei Revolvergeschossen üblich. Vorsichtige
können deshalb die Abschussgeschwindigkeit reduzieren und haben - bei reduziertem
Rückstoss - immer noch genügend Genauigkeit und Energie zur Verfügung. Perfektionisten
steigern die Anfangs-Geschwindigkeit und das Projektil bleibt bis zum Widder
jenseits der Schallgeschwindigkeit. Dies natürlich auf Kosten des Rückstosses
und der Hülsen-Lebensdauer.
Interessant ist sicher auch das 45er-Geschoss für die .454 Casull, wenn auch
kaum ein Silhouetten-Schütze diese Patrone in einem Freedom Arms Revolver einsetzt.
Meist wird die .44 Magnum Ausführung benutzt.
Das 357er-Geschoss wäre in der
Patrone „.357 Remington Maximum“, die gleiche Hülsenlänge wie die .445 Super
Mag hat, aber auch in den Flaschenhülsen „.357 Herrett“ und „.357/44 Bain &
Davis“ reizvoll. Ob die normale .357 Magnum, die im Grosskaliber-Silhouettenschiessen
als zu schwach gilt, mit dem Stoklossa-Geschoss Boden gutmachen kann, wird sich
noch zeigen.
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